Auf irgendeiner Autobahn
Eine Fahrt nach Irgendwo. Der Blasendruck führt mich an eine Raststätte, dort zur „Bedürfnisanstalt“. Am Zugang diese Familie vor der Ticket-Maschine, Mama schwitzt, Tochter ungeduldig auf der Stelle trippelnd, Papa erfolglos beim Kampf Smart-Card gegen Automat. Mein Druck bedeutet mir, daß das jetzt hier gerade nicht komfortabel ist …
… und ich wähle Plan B.
B wie Baum. Irgendein einsamer Baum, ein friendly tree, einladend, ohne Ticket-Barriere. Wildpinkeln. Eine Win-win-Situation, denn der Baum mag den Dünger.
Entspanntes Weiterfahren.
Die Geschichte anders denken
Muße zum Nachdenken, nachdenken über Wildpinkeln und darüber, wie die Situation auch anders denkbar wäre. Manch einer mag fordern, solche Autofahrten weitgehend zu vermeiden: gefährlich, ökologisch kritisch usw.; viele unserer Anliegen lassen sich schließlich virtuell erledigen, ohne das Smarthome zu verlassen, das Klo in komfortabler Nähe. Nachhaltig. Gut.

„Herzlich willkommen!“
Transhumanisten träumen von anderen Lösungen. Dabei könnten wir uns die Blase als ein analoges System vorstellen, das über eine spezielle Sensorik mit einem Algorithmus interagiert, der dafür sorgt, daß „es mich pinkelt“, ganz ohne Druck und Stress, ohne Baum. Predictive needs assessment oder PNA (dies ist eine eigene Wortkreation, nicht bei Wikipedia zu finden!). PNA kommuniziert mit meinem vernetzten Fahrzeug, es fährt mich zur Bedürfnisanstalt. Dort bin ich mit meinem Druck, der noch gar nicht drückt, bereits angemeldet. Online check-in. Facial recognition, das Gate öffnet sich, ich werde mit Namen begrüßt: „… und wünschen Ihnen eine gute Verrichtung und einen angenehmen Aufenthalt in unserem Etablissement!“, mit Hintergrundmusik aus meiner Favoritenliste. Die Gebühr ist bereits abgebucht.
Ab hier folgt ein kurzes analoges Intermezzo, die Blasen-Entleerung. Es sei denn, den Transhumanisten fällt zukünftig noch was smarteres ein.
„Vielen Dank für Ihre Daten!“
Das Etablissement ist jedoch intelligent genug, um nach dem ordinären Wasserlassen doch wieder zurück in die digitale Welt zu finden: „Vielen Dank für Ihren Besuch! Waren Sie zufrieden, so drücken Sie bitte die 1. Wenn Sie weniger zufrieden waren, so drücken Sie die 0. Wenn Sie uns mit Ihren Verbesserungsvorschlägen helfen möchten, so sprechen Sie einfach laut und deutlich Ihre Ideen und Anregungen!“.
Während dieses Vorgangs Fahrt-Zwischenstopp-Etablissement-Weiterfahrt wurden tausende von Daten generiert, die nun im Hintergrund einer Künstlichen Intelligenz dazu dienen können, um meinen digitalen Zwilling anzureichern, Muster zu erkennen, die PNA zu verbessern und, und, und …
Dabei wollte ich doch einfach nur pinkeln!
Dieser kurze Schilderung einer Ideenwelt, die sich auftun kann, wenn wir über menschliche Bedürfnisse und deren Befriedigung nachdenken, ist als Einstimmung in das Thema Digitalisierung gedacht.
Es werden Fortsetzungen folgen: Ab- und Umwege, Ideen und Provokationen, Zumutungen und Vorschläge sollen einen Bogen spannen, der unsere Kompetenz im Umgang mit Digitalisierung schärft. AHA ist eine Rundreise in Analogistan, dort hat sich das Digitale eingenistet. Wie können wir uns eine analog-digitale Zweckgemeinschaft vorstellen?