Die Sau im Dorf?
VUCA! Vuca? Eine Insel in der Südsee? Vuca-Wellness-Tee von der Vuca-Palme? Verein unbändiger Chaos-Anbeter? Oder Familienzuwachs beim LGBTQ-Diversity-Ensemble? Vielleicht auch schlicht die Nachfolge für cool, krass oder geil?
Nichts davon! Vuca bzw. V.U.C.A. steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Wir leben in einer V.U.C.A.-Welt! Angeblich. Diese Zuschreibung soll vor etwa dreißig Jahren im Militärischen Bereich aufgetaucht sein, um politische Veränderungen nach dem Kalten Krieg zu beschreiben. Sagt Wikipedia.
Inzwischen wird Vuca als Sau durchs Coaching-Dorf getrieben, ist in Leadership und Management als Must-have-tool etabliert und hält auch Einzug ins Universitäre (FAZ, Dieter Lenzen, 17.3.22).
Die Zwillings-Sau
Die strategischen Antworten auf die Vuca-Diagnosen werden gern aus der Ecke des Change Managements gepredigt und sind griffig-banal mit den gleichen Anfangsbuchstaben unterwegs: Vision, understanding, clarity und agility. Welch ein Zufall! Gern wird auch Resilienz als Medizin empfohlen, Achtsamkeit sowieso …
Erkenntnisgewinn oder Bullshit?
Die Welt ist also volatil und unsicher? Komplex und mehrdeutig?
Kann sie denn überhaupt unveränderlich sein und sicher? Oder sogar einfach und eindeutig?
Wir bei AHA haben es uns zum Hobby gemacht, Bullshit zu entlarven. Vuca ist besonders einfach auf die Schüppe zu nehmen, weil dieses Rezept für Videos und Powerpoint-Präsentationen, für Konzepte und teure Coachings auf einer Tautologie beruht: Die Rhetorik der VUCA-Welt liefert uns keinen Erkenntnisgewinn, keinen Mehrwert, wir könnten auch sagen „die Welt ist die Welt“. Wie der „weiße Schimmel“ oder die Aussage „Der Ball ist rund.“
Damit dürfen wir Vuca als bereichernde Beimischung im Bullshit-Bingo willkommen heißen!
Im Mittelalter …
… wurden Hexen verbrannt. Und Leute wie Giordano Bruno. Galileo Galilei kam trickreich davon. Sie waren eine Gefahr, weil sie dafür standen, was wir heute Vuca nennen mögen. Sie kratzten an der etablierten Deutungshoheit, deren Gatekeeper des Wahren für Eindeutigkeit standen, für einfache Antworten, unveränderlich, sicher.
Heute umarmt man Komplexität, Volatilität & Co., nur um das Gegenmittel nachzuschieben. Der mittelalterliche Anspruch der Komplexitätsreduzierung lebt also noch heute, aber dezent versteckt, als Versprechen besser verpackt. Der Welt wird die Idee einer strukturierbaren Gegenwelt angeboten, manche fallen darauf herein, die anderen werden nicht mehr verbrannt.
Aber!
Mit AHA marodieren wir nicht deshalb als Maverick in der Welt der Heiler und Zauberer, der Propheten und Prediger, weil wir Worthülsen und dünne Argumente hochnehmen möchten.
Wir wollen lernen!
Wie? Wenn wir uns einlassen auf „die Welt ist die Welt“, dann sind wir, also jeder einzelne, ein Bestandteil darin. Wir sind selbst das, was wir als Beschreibung der „Welt“ erfinden. Wir sind das was die Unsicherheit ausmacht, die Komplexität … und alles was uns noch so einfällt. Gleichzeitig sind wir auch das, was man uns als Werkzeug verkaufen möchte: Das Agile etwa, oder das Verstehen. Wir sind die Wirklichkeit, die wir beobachten, also viel mehr als Vuca! Der Möglichkeitsraum ist riesig, Vuca hoch n.
Gestalten, entscheiden
Weil uns dieser Möglichkeitsraum zu überfordern scheint, ruft AHA auf zur Gestaltung, zur Unterscheidung. Mit unseren Unterscheidungen entscheiden wir: Wir bewerten und markieren, grenzen ab, geben Namen, legen uns fest für eine Weile. Bis wir neu entscheiden und im Möglichkeitsraum eine weitere Gestaltung anlegen, die wir wiederum als eine belastbare Wirklichkeit, als unsere temporäre Einfriedung nutzen dürfen. Ob wir für dieses Spiel besonders klar, verstehend und agil sein müssen oder eine Vision brauchen, das wissen wir nicht. Das Füllen dieser Worthülsen unterliegt ohnehin der persönlichen Kreativität, das Probieren gehört mit zum Spiel.
Unentschiedenes
Wir besuchen die Kunst als Station auf unserer AHA-Reise, um dieses gestalterische Spiel, dieses entschiedene Entscheiden von Unentschiedenem in Metaphern zu erleben. In Bildern, Masken, Figuren und eigenen Szenen.
Ist das Kunst oder kann das weg?
Dieses Bild heißt „vuca“. Es ist mehrdeutig: Der Betrachter entscheidet. Hat der Künstler einen visionären Anspruch eingearbeitet? Das Bild verrät nichts davon. Gleichwohl darf der Betrachter etwas Visionäres heraus- oder hineinlesen. Das Bild mag verunsichern, vielleicht wollte der Fotograf das auch, wir wissen es nicht. Das Motiv ist nicht einfach, der Detailreichtum ist groß, ein Ausschnitt aus etwas unbekannt-unsichtbar Größeren, Komplexeren. Wenn wir es drehen, spiegeln? Es bleibt optisch klar, aber doch unklar in der Wirkung, erzeugt schwankende, volatile Stimmungen …
Das Bild steht für das Unentschiedene, es spielt den Ball zu uns: Wir haben uns zu entscheiden! Wegwerfen ist eine der Optionen.
Kämpfen als angewandte Kunst
Wir reisen weiter. Zur Kampfkunst. Wir erleben die Absurdität des Vuca-Hokuspokus im Ineinanderfließen der Bestandteile: Die angeblichen Vuca-Herausforderungen sind von den quacksalbernden Lösungsrezepten nicht zu trennen und mischen sich mit weiteren Beobachtungen und Zuschreibungen. Wirkungen werden zu Ursachen, Lösungen zu Fragen …
In den Bewegungen, die wir in der Kampfkunst selbst erleben, erkennen wir ein Grundmuster: Kontakt halten! AHA will keine Wahrheiten postulieren, aber vielleicht ist das Kontakthalten eine wertvolle Basisidee, eine Konstante, um Gestaltung so zu gestalten, daß wir damit ein Souveränitätserlebnis genießen können.
Bleib vuca!
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